Als erstes lenken sie ihre Aufmerksamkeit gern auf bekanntes Terrain …
Jeder Mensch hat eine eigene Persönlichkeit und einen ganz persönlichen Arbeitsstil. Individuelle Unterschiede werden in Schlüsselmomenten der eigenen Karriere besonders gut sichtbar. Die Beförderung in die erste Führungsrolle ist ein ganz besonderer Übergang, der von den neuen Managern verlangt, dass sie sich auf eine Reise begeben, die sich deutlich von ihren vergangenen Arbeitserfahrungen unterscheidet.
Dabei entstehen Lernerfahrungen auch durch ein paar recht typische erste Fehler oder das Verfolgen eines einseitigen Führungsansatzes.
Hier folgen ein paar typische, aber nicht erschöpfende Beispiele.
Typ „Everybody’s Darling“
Kurz nach der Beförderung in die erste Führungsposition konzentrieren sich frisch gebackene Teamleiter oder Abteilungsleiterinnen oftmals zunächst darauf, vor ihren neuen Mitarbeitern eine gute Figur abzugeben und ihnen „Gutes“ zu tun.
Der Wunsch danach, den eigenen Mitarbeitern das zu ermöglichen, was man sich selbst bisher von seiner Führungskraft gewünscht, aber meist nicht erhalten hat, kann ein starker Motivator sein, um beispielsweise den Fokus auf Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten zu richten. Das weckt große Erwartungen im Team und hebt die Stimmung anfangs auch deutlich an, was der neuen Führungskraft in den ersten Wochen den Eindruck vermittelt, auf dem richtigen Weg zu sein. Für sie ist es der Beweis, dass man über Motivation und gute Beziehungen mehr erreichen kann als über Leistungsdruck und enge Zeitleisten.
Typ „Meister(in) des Faches“
Diese Führungkräfte haben mit Hilfe ihrer herausragenden fachlichen Leistungen bisher Karriere gemacht und sind inhaltlich zu Meistern ihres Fachgebiets geworden. Ihr natürlicher Impuls besteht darin, sich aktiv in die Projekte der Abteilung einzubringen und sie mit ihrer Expertise maßgeblich zum Erfolg zu führen.
Sie übernehmen die schwierigsten Aufgaben selbst, denn es fällt Top-Experten für ein Fachgebiet schwer, ihre Kernkompetenzen in fremde Hände zu geben und womöglich Ergebnisse geliefert zu bekommen, die ihren Qualitätsanforderungen nicht genügen. Daher setzen sie hohe Ansprüche und bessern im Zweifelsfall auch gern selbst nach, wenn der erste Entwurf der Mitarbeiter nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit gerät.
Typ „Vorsicht ist besser als Nachsicht“
Manche jungen Manager sind sich des Gewichts ihrer neuen Verantwortung mehr als bewusst. Sie haben Angst, auf eine Mine zu treten oder einen gravierenden Fehler zu machen, der nachhaltige Auswirkungen auf die Firma, ihre Abteilung oder ihre Karriere haben könnte.
Daher suchen sie ausführlich nach allen relevanten Informationen, sprechen mit einer Vielzahl von Stakeholdern, holen sich den Rat von Beratern oder Mentoren ein, bevor sie sich in der Lage fühlen, eine Entscheidung zu treffen. Während sie noch Fakten sammeln und die verschiedenen Optionen ausleuchten, werden andere Schlüsselpersonen in der Organisation bereits ungeduldig und zweifeln ihre Entscheidungskompetenz an.
Typ „Tough Cookie“
Menschen, die Tempo und Klarheit lieben, blühen in ihrer ersten Führungsrolle vom ersten Tag an geradezu auf – nun sind sie endlich selbst Chef und können die Dinge so zügig und zielstrebig vorantreiben, wie sie es immer schon wollten.
Bereits im ersten Team-Meeting setzen sie klare Akzente mit einer kantigen Ansprache, verkürzten Abgabefristen oder Aufstockung der Ziele, um dem Team zu vermitteln, dass ab jetzt mehr Leistung und Einsatz gefragt ist, wenn man mit ihnen erfolgreich sein möchte.

… doch damit stellen sie sich wahrscheinlich selbst ihre ersten Stolperfallen
Typ „Everybody’s Darling“
Mitarbeiter suchen eine klare Führung. Sie spüren sehr schnell die Unsicherheit ihrer oder ihres neuen Vorgesetzten und erkennen hinter den Gefälligkeiten den Wunsch, selbst zu gefallen. Diesen nutzen manche geschickt zu ihrem eigenen Vorteil. Beispielsweise werden so Grenzen ausgelotet, Termine überdehnt oder Freiräume genommen, die das Empfinden von Ungerechtigkeit bei anderen Team-Mitgliedern auslösen.
Die anfänglich gute Stimmung kann so nach wenigen Monaten in Gereiztheit oder Demotivation kippen, und das Leistungsniveau der Abteilung sinkt.
Typ „Meister(in) des Faches“
Auf der anderen Seite frustriert es Mitarbeiter, wenn der Chef oder die Chefin selbst Hand anlegt und ihnen damit die Chance nimmt, sich zu beweisen, und es findet eine Art Rollendiffusion statt.
Die erste Führungslektion besteht häufig darin, sich die Chefrolle ganz zu eigen zu machen, d.h. die alten Kernkompetenzen auch ein Stück weit zu „verlernen“, dafür aber tiefer in die eigentliche Vorgesetztenrolle und die damit verbundenen Aufgaben einzutauchen.
Für Fachexperten ist es wichtig, bewusst einen Rollenwechsel vorzunehmen und ihre Expertise dazu zu nutzen, ihre Mitarbeiter über Zielsetzungen, Feedback und fachliches Coaching weiterzuentwickeln. Ihre Aufgabe als Führungskraft besteht nun darin, den Rahmen zu setzen, Ziele zu definieren und Ergebnisse abzunehmen.
Jedes Mal, wenn sie versucht sind, die scheinbare Abkürzung zu nehmen, und selbst fachlich aktiv werden, verlängern und erschweren sie damit den Weg, ihr Ziel als Führungskraft zu erreichen.

Typ „Vorsicht ist besser als Nachsicht“
Auch wenn neue Führungskräfte typischerweise eine Phase des „Welpenschutzes“ genießen, bevor sie selbst hart am Wind segeln müssen, wird die Umgebung innerhalb und außerhalb des eigenen Bereichs auf erste Signale warten, die zeigen, ob der Neuling Verantwortung übernimmt und welche Akzente sie oder er zu setzen plant. Erste vorgenommene Veränderungen oder frühe Entscheidungen setzen hier Duftmarken, die genau registriert und auch erwartet werden.
Spätestens nach etwa 100 Tagen in der neuen Rolle geht niemand mehr davon aus, dass sich die neue Führungskraft noch orientiert – auch wenn diese Phase eigentlich ein bis zwei Jahre Zeit beansprucht – sondern die Organisation erwartet volle Geschwindigkeit und angemessene Handlungen. Vorsichtigere oder sensiblere Charaktere sollten sich Techniken aneignen, mit denen sie schneller und zielstrebiger zu einem Entschluss kommen. Andernfalls erwarten sie erste schwierigere Konversationen mit ihren Vorgesetzten, oder ihre Mitarbeiter werden anfangen, die offiziellen Prozesse zu umgehen und „kleine Dienstwege“ zu etablieren, an der Chefin oder dem Chef vorbei, um die Anweisungen und Entscheidungen zu erhalten, die sie brauchen, um ihren Job zu erfüllen.
Typ „Tough Cookie“
Wenn Führungskräfte – ob männlich oder weiblich – zum Auftakt bereits ihren Schwerpunkt bei einem hohen Anspruchsniveau setzen, ohne gleichzeitig Zeit zu investieren, eine Beziehung zu den Mitarbeitern aufzubauen, Interesse an ihnen zu zeigen oder sie zur Erreichung der Ziele zu motivieren, so kann dies früh zu Reaktanz führen.
Mitarbeiter sind gerne bereit, sich einzubringen und anspruchsvolle Ziele zu erreichen, wenn sie sich selbst als Person und mit ihrer Leistung wertgeschätzt fühlen. Wenn ihre Arbeitsleistung als aktiver und unverzichtbarer Beitrag zum gemeinsamen Ziel gewürdigt wird und sie sich damit weiterentwickeln können, werden sie gern die extra Meile gehen.
Sie sind jedoch misstrauisch gegenüber Führungskräften, die scheinbar ohne Verständnis für die aktuelle Situation in den Augen der Mitarbeiter unrealistische Forderungen stellen, Erreichtes kaum würdigen oder im wesentlichen selbst mit den Ergebnissen glänzen, statt das Team mit auf die Bühne zu holen.

Wichtig ist die Balance
Die Kunst guter Führung besteht darin, eine angemessene Balance zwischen den verschiedenen Rollen- und Führungsanforderungen zu finden, die sich manchmal sogar gegenseitig zu widersprechen scheinen.
Dies ist natürlich noch nicht von Tag 1 an möglich – jede neue Führungskraft wird vorhersehbar mehr als nur einen Fehler in ihren ersten Wochen und Monaten machen, und diese Fehler werden auch recht typisch für die Vorlieben, Stärken und Schwerpunkte ihrer eigenen Persönlichkeit sein.
Führungskrafte, die sich bewusst immer wieder mit ihrem aktuellen Portfolio an Führungskompetenzen auseinandersetzen und sich auf die Suche nach ihren „blinden Flecken“ machen, werden fehlende Skills wahrscheinlich nach und nach aufbauen oder schwächere Seiten stärken, während andere, die sich tagtäglich nur auf die Erledigung der dringlichsten Aufgaben konzentrieren, möglicherweise auf dem Stand ihrer frühen Führungserfahrungen stehen bleiben.
Um eine erfahrene Führungskraft mit einem breiten Repertoire an Handlungsoptionen und Kompetenzen zu werden, braucht es nicht Monate, sondern einige Jahre.
Neben den Dimensionen der Mitarbeiterbeziehungen, Delegation von Aufgaben, Entscheidungsfindung und Setzen eines angemessenen Anspruchsniveaus braucht es noch weitere Zutaten wie z.B. Zeitmanagement, Setzen der richtigen Prioritäten oder auch das sogenannte „Upward Management“.